Klassik, die gute Laune macht
Das Orchester am Singrün mit einem Sommerprogramm im Neuhaussaal
Von Thomas Vitzthum, MZ
Regensburg. Pikiert rümpfen Kritiker die Nase über die �Gute Laune Klassik�, die gestressten Zeitgenossen
zur Beschallung ihres Alltags empfohlen wird. Dass diese Unterhaltungsform aber nichts mit Berieselung
beim Bügeln, Abspülen, Kochen oder Putzen zu tun haben muss, bewies das Konzert des Orchesters am Singrün
unter Lutz Landwehr v. Pragenau im vollbesetzten Neuhaussaal. Das Programm war �Gute Laune Klassik� im
besten Wortsinn, leicht, heiter, inspiriert, bedeutungsarm aber nicht trivial. Für einen Sommerabend,
an dem sich weder Musiker noch Zuhörer in Anzüge und Krawatten zwängen wollten, war die Herrschaft
freundlicher Dur-Klänge über tristes Moll genau das Richtige.
In Hans Pfitzners kleiner Symphonie op. 44 hätte man bei einem Blick auf das Entstehungsjahr sicher mehr
Molliges erwartet. 1939 schrieb der Komponist, dem seine Verwicklungen in den Nationalsozialismus bis
heute schaden, das hübsche Werklein in vier Sätzen. �Gemächlich� ist der erste übertitelt und entsprechend
behutsam tastete sich das Orchester voran. Bald erhoben sich Melodien, die sich als Ohrwürmer in den
Gehörgängen des Publikums einnisteten. Den Musikern gelangen zarte Stimmungen, die von einem genau
austarierten Verhältnis der Instrumentengruppen herrührten. Hingebungsvoll entfaltete sich das Adagio.
Nur die Trompete, als einziges Blechinstrument besetzt, stach oft kühn hervor und rückte Pfitzners
sympathischen Konservativismus klanglich in die Nähe der avancierten Musik der 20er Jahre.
In Mozarts Konzert für Flöte und Harfe in C-Dur KV 299 gab Lutz Landwehr v. Pragenau anschließend
markante Betonungen und flotte Tempi vor. Während es Pfitzner bisweilen an eindeutigen Bewegungsimpulsen
mangelte und sich die Musik festzutreten drohte, strebte in Mozarts herrlichem Konzert alles nach vorne.
Das Duo Mélisande (Nicola Wiebe, Flöte und Anette Hornsteiner, Harfe) ist ein blind aufeinander eingespieltes
Team, das seinen Mozart mit Esprit und Elan darbot. Erfreulich, dass das Orchester sich nicht nur mit
maßvollem Begleiten beschied, sondern technisch sicher und spielfreudig keine Finte des 22-jährigen Mozart
übersah.
Was die engagierte Leitung des Dirigenten aus der Laienformation zu schöpfen vermag, ist mehr als erstaunlich.
Man spürt, dass Musikmachen keine Frage ausschließlich richtiger Töne ist, sondern der Impetus passen, der
Nerv eines Werks getroffen werden muss. Die Formation vom Singrün trifft ihn auch in Schuberts 5. Symphonie.
Dem donnernden Applaus des Publikums für die akzentuierte, lebendige Interpretation ließ das Orchester das
gefühlige Adagietto aus Mahlers 5. Symphonie folgen.
(Abdruck aus der Mittelbayerischen Zeitung, Dienstag 18. Juli 2005)