Klassik auf unverschämt gutem Niveau
Großes Konzert zum 20-jährigen Bestehen: Orchester am Singrün begeisterte die Zuhörer
Von Gerhard Dietel, MZ
REGENSBURG. Einige ehemalige Mitglieder des Regensburger Universitätsorchesters taten sich 1986 mit dem Ziel
zusammen, �im Rahmen eines unprofessionellen Laienorchesters passionierten Künstlern aller Altersgruppen und
Schichten die Gelegenheit zu geben, ihre Leidenschaft � auch vor Publikum � auszuleben.� Nach kleinen Anfängen
fanden sie zeitweilig im einstigen �Studienseminar am Singrün� geeignete Proberäume für ihr ambitioniertes
Vorhaben, wovon der Name �Orchester am Singrün� zeugt.
Zufall der Namensgebung? Oder aus heutiger Sicht doch tiefere Bedeutung? Denn das alte Wort �Singrün�
bedeutet �Immergrün�. In der Tat: Das �Orchester am Singrün� wirkt seit nunmehr zwanzig Jahren unverändert
frisch und jung. Unvermindert hält der Erfolg in der Öffentlichkeit an. Ein treues Publikum begleitet die
Auftritte, und das hat mit dem Niveau des Gebotenen zu tun. Ohne falsche Bescheidenheit hat das Orchester
unter der Leitung zunächst von Reinhard Klink, später von Lutz Landwehr von Pragenau immer wieder sinfonische
Schwergewichte aufs Programm gesetzt und sich dabei, wie es in einer Kritik einmal hieß, als �unverschämt gut�
erwiesen.
Auf einem �unverschämt guten� Niveau bewegten sich die Singrün-Musiker auch bei ihrem Jubiläumskonzert in der
Regensburger Dreieinigkeitskirche. Äußerst mutig war es von ihnen, ausgerechnet mit Richard Wagners
�Lohengrin�-Vorspiel zu beginnen, das mit vierfach geteilten Streichern in hoher Oktavlage und teils im Flageolett
anhebt, um die �wundersame Darniederkunft des Grales im Geleite einer Engelsschar� darzustellen. Mit großen, runden,
nur mit kleinen Akzenten angereicherten Bewegungen sorgte Lutz Landwehr von Pragenau am Dirigentenpult für eine durchwegs
überzeugende Realisation von Wagners Klangkonzept, bei der sich die Musik aus lichten Höhen von Streichern und Holz
allmählich herabsenkte, an Blechbläser-Erdenschwere gewann und dann wieder sanft nach oben entschwebte.
Die Leistung des Orchesters steigerte sich noch bei der anschließend erklingenden Siebenten von Anton Bruckner.
Lutz Landwehr von Pragenau wählte für den Kopfsatz ein auffällig breites Grundtempo, was aber dem klaren
Heraustreten der polyphonen Verflechtungen der Partitur dienlich war. Die Streicher, von denen Bruckner
oft genug einen �gezogenen� oder �sehr markigen� Ton verlangt, durften sich ebenso profilieren wie die
häufig solistisch hervortretenden Holzbläser und das an den großen Höhepunkten für überwältigende Klangfülle
sorgende Blech. Das Adagio, zwischen Trauergesang der Tuben und orgiastisch ausgekostetem C-Dur-Hochplateau
angesiedelt, sowie das mit keckem Trompetenthema aufwartende Scherzo nahm die am Schluss mit Bravi nicht geizenden
Hörer ebenso gefangen wie das in steter suchender Bewegung zum endgültigen E-Dur-Jubel findende Finale.
(Abdruck aus der Mittelbayerischen Zeitung, 14. März 2006)