Der Konzertsaal wird zum magischen Wald
REGENSBURG: Konzerte des "Orchesters am Singrün" haben ihre ganz eigene Atmosphäre. Da fehlt von vornherein die sonst übliche Distanz zwischen Saal und Podium: Publikum und Musizierende wirken wie eine große Familie, die sich, ob spielend, ob hörend, gemeinsam von der erklingenden Musik begeistern lässt. Kein Wunder ist's folglich, dass der Beifall nach den Darbietungen, fast italienische Ausmaße einnimmt, und das, obwohl an diesem Abend mit der zweiten Sinfonie von Johannes Brahms und dem Violinkonzert von Jean Sibelius eher herbe nördliche Kunst auf dem Programm steht.
Kniffliger Violinpart
Ein konzertantes Miteinander gibt es bei Jean Sibelius kaum: Orchester und Solist gehen zumindest im Anfangssatz ihre eigenen Wege. Der junge, aus Regensburg stammende und bereits vielfach erfolgreiche Geiger Benedikt Wiedmann hat das erste wort. Vor dem zart schattierten Klanghintergrund des Orchesters singt er sich "dolce ed espressivo" in seine Parie hinein, lässt sonore Klänge auf der G-saite ertönen und steigert sich dann in brillantnes Passagenwerk. Technisch bravourös bewältigt er auch in der Folge seinen mit Kniffligkeiten gespickten Violinpart. Nur im rhythmisch markanten Finalsatz, der an diesem ABend etwas erdenschwerer interpreiert wird als gewphnt, lässt deine Konzentration einmal kurz nach.
Mit Maurice Ravels "Ma Mere l'Oye" hatte das "Orchester am SIngrün" zuvor die Hörer im vollbesetzten Neuhaussaal in Charles Perraults Märchenwelten entführt. Keine leichte Aufgabe ist es für ein Amateurorchester, Ravels durchsichtigen, delikaten Orchestersatz zu realisieren, aber den Singrün-Musikern gelilngt dies auf hohem Niveau. In einem magischen Wlad voll seltsamer Vogelrufe versetzen sie ihre Hörer, bezaubern sie mit Chinoiserien und erzählen von der Schönen und dem Biest, bevor sie in einer grandiosen Schlusssteigerung einen fantastischen Feengarten erblühen lassen.
Kämpferische Energie
Sicher steuert Orchesterleiter Lutz Landwehr von Pragenau seine Mitstreiter durch Ravels Partitiur und animiert sie abschließend auch zu einer temperamentvollen wie klangsatten Wiedrgabe von Brahms Zweiter. ALs "Pastoralsinfonie" wird das Werk manchmal bezeichnet, doch dass dies allenfalls eine Teilwahrheit ist, zeigt sich bald. Nach idyllischen Beginn entfesseln die Singrün-Musiker in der Druchführung des Kopfsatzes kämpferische Energien und lassen im folgenden Adagio non troppe dunkle, grüblerische Klänge vernehmen. Wunderschön gelingen Tempowechsel im "Allegretto grazioso", bevor das Finale in hellem D-Dur-glanz erstrahlt und alle schwerblütigen Anwandlungen der Brahmschen Musik hinter ich lässt.
(Abdruck aus MZ vom 04.03.2008)