Mitreißend: Orchester am Singrün und der Regensburger Kammerchor
Regensburg. Von Gerhard Dietel, MZ
Ein ungewöhnliches Programm mit geistlicher französischer Musik des 20. Jahrhunderts konnten Regensburgs Musikfreunde in der Kirche Herz Jesu erleben, und eine neuartige Kooperation bisher nur einzeln an die Öffentlichkeit getretener musikalischer Kräfte: das „Orchester am Singrün“, dirigiert von Lutz Landwehr von Pragenau, und der von Angelika Achter geleitete „Regensburger Kammerchor“ gestalteten den Abend zunächst im Wechsel und vereinten sich schließich zu einer beeindruckenden Interpretation von Francis Poulencs „Gloria“.
Schillernde Klangpalette
Nicht weniger faszinierend wirkten die anfangs ertönenden „sinfonischen Fragmente“, die Claude Debussy aus seiner Schauspielmusik zu d’Annunzios Mysterienspiel „Le Martyre de Saint Sebastien“ zusammengestellt hat. Eine unglaublich delikate und in vielfältigen Farben schillernde Klangpalette entfalteten die Musiker des Singrün-Orchesters in Debussys raffinierter Komposition, die halb noch der Spätromantik angehört, halb schon zu Olivier Messiaens religiöser Ekstase unterwegs ist. Souverän führte Lutz Landwehr von Pragenau die Mitwirkenden durch die Partitur mit ihrer überwiegenden Ruhe, die aber immer wieder von erregten Tremoli durchpulst wurde und aus der einige wenige, genau herausgearbeitete dynamische Höhepunkte herausragten.
Seine Qualitäten als A-cappella-Ensemble zeigte danach der Regensburger Kammerchor in Motetten von Duruflé, Poulenc und de Sévérac. Mit präzisen, die Klangformung vorgebenden Gesten inspirierte Angelika Achter die Singenden zu einer vorzüglichen Leistung. In warmem, tragendem Pianoklang und hell leuchtenden Harmonien entstand eine geistliche Musik voll Ernst, doch ohne alle Schwere. Zum Höhepunkt wurde hier die Gestaltung des „Gloria“ aus der Missa solemnis von Jacques Chailley mit seinem metrisch kaum gebändigten Fluss und gewagten Klangfolgen, die sich an großen Höhepunkten nahezu clusterartig verdichteten.
Zwiespältiger Charakter
„Halb Mönch, halb Lausbub“: so ist der Komponist Francis Poulenc einmal treffend charakterisiert worden, und sein „Gloria“ vereint diese beiden Seiten seiner künstlerischen Physiognomie. Betont diesseitig klingt manches, wenn etwa das Orchester gleich mit großem Aplomb und mächtigen Bläserfanfaren einsetzt oder frech hüpfende Rhythmen das „Laudamus te“ des Chors grundieren, den Poulenc zu recht ungewöhnlichen Skandierungen des Texts veranlasst.
Doch neben solch neoklassizistischen, stark an Strawinsky erinnernden Momenten standen dann wieder ganz zurückhaltende Unisono- und A-Cappella-Passagen. Herbe Klänge und demütiges Flehen vernahm man im „Domine Deus“, jedoch überwölbt vom strahlenden Sopran Doris Döllingers, die solistisch markant hervortrat. Und merkwürdig leise verklang dieses so klangewaltig angetretene Gloria schließlich in einem zwiespältigen Schlussakkord, der mehr zum Moll- als zum Dur-Jubel neigte.
(Abdruck aus der MZ vom 15.05.2009)