Singrün wächst über sich hinaus

Ein Hauch von Pop-Arena: Das Orchester am Singrün wurde beim sinfonischen Konzert im Regensburger Audimax stürmisch gefeiert.

Von Gerhard Dietel, MZ

Regensburg Bei Auftritten des Orchesters am Singrün herrscht stets eine andere Stimmung als in üblichen Sinfoniekonzerten. Wenn am Schluss im Regensburger Audimax nicht nur Beifall des Publikums aufbrandet, sondern sich Jubel und Johlen darunter mischen, liegt ein Hauch Pop-Konzert- oder Sportstadion-Atmosphäre in der Luft. Nicht allein das Orchester, vielmehr der ganze Raum fungiert als großes soziales Netzwerk. Verwandtschaften und Freundschaften wirken als Brücke zwischen Podium und Saal. Dass dieser aus begabten Amateuren bestehende Klangkörper nicht mit der letzten Rundheit und Perfektion eines professionellen Orchesters musiziert: geschenkt. Der Begeisterung bei den Zuhörern tut dies keinen Abbruch, und rückwirkend lässt die Zustimmung im Saal die Singrün-Musiker über sich hinauswachsen.

Tschaikowsky und Dvorák

Schwere sinfonische Kost bildet den Rahmen des diesjährigen Herbstkonzerts. Dass sie munden kann, dafür sorgt Lutz Landwehr von Pragenau, der langjährige Leiter des Orchesters. Unermüdlich befeuert und beflügelt er die Musikerinnen und Musiker zu einer an Intensität nie nachlassenden Interpretation und hebt schon einmal bei Höhepunkten springend vom Podium ab. Das Orchester lässt sich dadurch zu einer ganz plastischen Interpretation von Tschaikowskys „Romeo und Julia“-Ouvertüre animieren, bei der den Hörern die Kämpfe zwischen Montagues und Capulets oder – beim großen Liebes-Thema – die nächtliche Balkonszene direkt zum Bild werden.

Ingrimmig, straff und kantig musiziert erklingt zum Schluss Anton Dvoráks siebte Sinfonie. Böhmisch-Folkloristisches fehlt diesem Werk fast völlig (das wird mit dem „Slawischen Tanz“ Nr. 8 als Zugabe nachgeliefert), die sozusagen Dvoráks „deutscheste“ Sinfonie wurde: voll glühendem Pathos, tragischem Ton, dunklen Farben. Nur für wenige Momente lässt das Orchester am Singrün hier einmal entspannteres Singen oder gelassene Bewegung zu, die jedoch sofort wieder von dramatischen Impulsen abgelöst werden.

Solist mit stupenden Fähigkeiten

Leichtgewichtigeres steht dazwischen mit Nino Rotas „Divertimento Concertante“ für Kontrabass und Orchester. Rota, vor allem als Filmmusik-Komponist bekannt, bedient sich in seinem Konzert einer pfiffigen neoklassizistischen Sprache mit starken Anklängen an die Musik Prokofieffs. Hörbar bemühen sich Lutz Landwehr und sein Orchester hier um durchsichtiges Spiel. Dennoch hat das Soloinstrument es nicht immer leicht, sich akustisch durchzusetzen.

Andreas Riepl, vor zehn Jahren selbst noch Singrün-Mitglied und inzwischen im Bayerischen Staatsorchester tätig, kann seine stupenden Fähigkeiten auf dem Instrument vor allem in den Solokadenzen (und der Zugabe, einer „im alten Stil“ komponierten Bourrée Hans Frybas) zeigen: Locker gehen ihm geschwinde Dreiklangsbrechungen und Passagen von der Hand, Melodik in Doppelgriffen, schnelle Lagenwechsel und ein zart schwebendes, dem wuchtigen Anblick des Instruments geradezu widersprechendes Flageolettspiel.

MZ, Meldung vom 24.11.2014:

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