Nittenau.Kunst und Kultur in der sogenannten „Provinz“ haben noch immer ein Imageproblem. Zu Unrecht. Denn was auf dem Lande an hochwertigem Kunstschaffen, an Konzerten und Künstlerauftritten geboten wird, kann durchaus mit internationalen Großstädten wie München, Berlin oder New York mithalten. Immer wieder treten hier, auf dem Lande, international renommierte wie ansässige Künstler auf, um den Ruf der Provinz als außergewöhnlichen Kulturraum zu festigen.
Bestätigung der Einschätzung erhielten die rund 250 Zuhörer, die das Konzert zum 30-jährigen Bestehen des Orchesters am Singrün in der Regentalhalle in Nittenau miterlebten. Ein Konzert, das keine musikalischen Wünsche offen ließ, ob in der Auswahl der präsentierten Werke oder der hoch qualitativen Ausführung, die den Begriff „Laien-Symphonieorchester“ ad absurdum führte. Unter dem Dirigat des musikalischen Leiters Lutz Landwehr von Pragenau entspann sich ein Konzert, das unterhaltsam wie höchst anspruchsvoll war und am Ende mit stehenden Ovationen belohnt wurde.
Das Singrün-Orchester hat sich in der Region einen guten Ruf erspielt, und so war es nur selbstverständlich, dass eine der Stationen der Jubiläumstournee die Stadt Nittenau war. Hier kennt man von zahlreichen Auftritten das Publikum. Und so war das Versprechen von Bürgermeister Karl Bley, dass ein „vergnüglicher, unterhaltsamer Abend bevorsteht“, eigentlich selbstverständlich.
Mit einem musikalischen Abstecher in die Literatur, Johann Wolfgang von Goethes Drama „Egmont“, zu dem Ludwig van Beethoven eine Schauspielmusik komponierte, eröffnete das Orchester sein Konzert mit der „Egmont“ Ouvertüre, einem der beliebtesten Werke der klassischen Musik. Mit großer Eleganz griffen die mehr als 70 Musiker den Charakter der Reformoper auf, führten die düstere f-moll Tonart des Auftakts zu seinem leidenschaftlichen Allegro-Hauptthema, immer wieder vom Dirigenten vorangetrieben, ohne getrieben zu sein. Das Orchester präsentierte ein in sich geschlossenes Werk mit deutlich punktierten Streicherrhythmen, überragenden Hornbläsern, das letztlich tongewaltig und siegessymphonisch ausklang.
Für die Aufführung des zweiten Werkes legte ein junger Ausnahmemusiker, der Regensburger Johannes König, seine Hand an sein um 1800 gebautes und vom Deutschen Instrumentenfonds bereitgestelltes Violoncello, für eine Auslegung des Konzertes für Violoncello und Orchester in h-Moll, op. 104 von Antonin Dvorak. Eine enorme Spannung baute Dvorak dadurch auf, dass er seinen Solisten erst spät in das musikalische Geschehen eingreifen lässt. Ganze vier Minuten dauerte es, bis König seinen Bogen streichen lassen und in seinen musikalischen Dialog mit dem sorgfältig vom Orchester vorbereiteten Thema treten konnte.
Auch hier führte Lutz von Pragenau ein stringentes Tempo, ließ aber dem Solisten den gebührenden Freiraum um seine melodischen Linien zu entwickeln, der Ausführung seinen interpretatorischen Ausdruck zu vermitteln und das Orchester in das musikalisch fulminant gesteigerte Finale zu führen.
Einen weiteren musikalischen Leckerbissen gab es nach der Pause mit der Symphonie Nr. 1 in c-Moll op. 68 von Johannes Brahms. Eine gute und zu den vorangegangenen Werken kontrastreiche Entscheidung in der musikalischen Differenzierung unterschiedlicher Herangehensweisen der Komponisten an die symphonische Form.
Was das Orchester am Singrün so überzeugend und begeisternd macht, sind die präzisen Einsätze der Register, die Umsetzung quasi im vorauseilenden Gehorsam, um den Werken Lebendigkeit und Charakter zu verleihen, vorwärts treibenden Kräften die auch den langsamen Sätzen Fließbewegungen verleihen und beim Zuhörer innere Spannungen aufbauen, immer in Erwartung einer weiteren Steigerung.
Man konnte als Zuhörer nicht anders, als mit jedem Takt mitzugehen, die nächste Kadenz und letztlich den finalen Höhepunkt herbei zu sehnen. Stehender, frenetischer Applaus war der Lohn, den der erschöpfte und immer wieder Schweiß von der Stirn tupfende Dirigent und sein äußerst engagiertes Orchester entgegennehmen konnten. Bedankt hat sich das Orchester mit einer Zugabe, dem Slawischen Tanz von Antonin Dvorak.
MZ, Meldung vom 22.02.2016: